Morgenröte für alte Billardtische

Diese charakteristischen Taschen aus Leder stammen aus den USA. Aus einem Betrieb, den es mittlerweile nicht mehr gibt. Bild: Sport 64

SPIELMÖBEL. Billardtische sind massive Konstruktionen aus Holz, Metall, Schiefer und Stoff. Zwar gibt es in der Schweiz keinen eigentlichen Hersteller mehr. Doch bei der Firma Sport 64 in Bern baut ein Schreiner historische Caramboletische zu modernen Pooltischen um.

Früher gab es kaum eine mittelgrosse Stadt, in der nicht ein oder gar mehrere Billardclubs existierten. Auch in gehobeneren Gasthäusern und Villen der Oberschicht fand sich ein Billardraum, wo gesetztere Herren bei Zigarrenrauch und gepflegtem Gespräch Kugeln aus Elfenbein über Banden spielten. Doch die guten Zeiten, als Billard beinahe ein Volkssport war, sind hierzulande längst vorbei. Dennoch gibt es immer noch eine Reihe von Enthusiasten, die dem Billardspiel die Stange halten. Einer  von ihnen ist Thomas Ramseyer mit seiner 1990 gegründeten Firma Sport 64, die sich im Berner Diplomatenviertel Elfenau befindet.

Hersteller und Reparateur

In Zusammenarbeit mit der Schreinerei von Danilo Ermini in Orvieto (I) entwickelt und baut Sport 64 Billardtische und verkauft sie vorwiegend in der Schweiz. Ein weiteres Standbein des Kleinbetriebs mit einer Handvoll Beschäftigter ist die Reparatur und der Umbau der Tische. Dieser Bereich liegt in den Händen von Jan de Roodt, einem gelernten Schreiner. Beim Besuch in der Werkstatt ist gerade ein altes Teil in Arbeit. Es ist ein historischer Tisch aus der Fabrik Morgenthaler, die zwischen etwa 1850 und 1950 im Berner Mattenquartier Billardtische im grossen Stil produzierte – primär Caramboletische (siehe Kasten). Die Tische genossen zu ihrer Zeit grosses Renommee  und noch immer finden sich da und dort nicht mehr genutzte Exemplare in grundsätzlich gutem Zustand. Zentraler Punkt in de Roodts Arbeit ist der Umbau der Tische auf das heute beliebtere Poolbillard. Dazu teilt er die Längsbanden auf und ergänzt sie mit sechs Taschen aus Leder, worin die Kugeln versenkt werden. Die meist einteiligen Schieferplatten ohne Löcher werden durch neuen Poolschiefer ersetzt. Daneben repariert er die vielen kleineren und grösseren Beschädigungen, die der Zahn der Zeit im Holz hinterlassen hat.

Handarbeit pur

«Es ist eine wunderschöne ‹Büez›», sagt de Roodt. In der Werkstatt stehen kaum Maschinen, denn vieles ist Handarbeit im wörtlichen Sinne, wie etwa das Ausbessern des Fusses mit der Stellschraube oder eines gedrechselten Ringes (siehe nebenstehende Bilder). «Bei Bedarf arbeiten wir mit einer befreundeten Schreinerei, die über die nötigen Maschinen verfügt», erklärt de Roodt. Ein gewisses Know-how im Drechseln hat er sich bei seiner Arbeit an den Tischen selbst angeeignet. Er lobt die grundsätzliche Qualität der älteren Spielgeräte. «Ein guter Tisch von vor der Jahrhundertwende ist deutlich besser, als das meiste, was seither aus China auf den Markt kommt», sagt der Experte. Ganz ohne Import aus Übersee geht es aber nicht. Seit vor zehn Jahren die letzten ligurischen Hersteller von Billardschiefer das Handtuch warfen, muss der schwere Stein aus Brasilien oder China besorgt werden. Rund hundert Stunden benötigt de Roodt für einen Umbau. Dabei setzt er auch Materialien ein, mit denen Schreiner kaum je in Berührung kommen. Für die Diamanten, die ins Holz eingelassenen Markierungen, setzt er zuweilen Elfenbein ein. Beziehen kann er es ganz legal bei einem Klavierbauer, es stammt von alten, weissen Tasten.

STEFAN HILZINGER

www.sport64.ch

www.billardverband.ch

 

 

Carambole, Pool und Snooker

Kleines Billard-ABC

Billardspiele entwickelten sich im 17. Jahrhundert, als Spiele mit Kugeln und Stöcken vom Rasen auf Tische verlegt wurden. Im Laufe der Zeit entstanden regional unzählige Varianten.Poolbillard ist die heute geläufigste Spielart. Der Tisch verfügt über sechs Taschen, worin die 15 farbigen Kugeln (je sieben halb und ganz gefärbte plus die schwarze) mit Queue und weisser Kugel versenkt werden müssen.Carambole/Karambolage wird auf Tischen ohne Taschen gespielt. Es sind nur drei Kugeln (weiss, rot und gelb) im Spiel. Das Ziel ist es, mit einem Stoss auf die eigene Kugel die beiden andern Kugeln nach bestimmten Regeln zu treffen.Snooker wird auf Tischen mit Taschen mit 15 roten und 6 farbigen Kugeln gespielt. Die Tische sind wesentlich grösser als beim Pool. Snooker wird seit 30 Jahren von Eurosport übertragen und ist daher vielen bekannt.

hil

 

Veröffentlichung: 23. Juni 2022 / Ausgabe 25/2022

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