Rundum anziehend

Durch die elektrostatische Aufladung findet das Gros des Pulvers seinen Weg zum Werkstück. Was vorbeigeht, wird gesammelt und wiederverwertet. Bild: Christian Härtel

Pulverbeschichtung.  In der Metallbranche üblich, ist eine Beschichtung mit Pulver auch für Holzwerkstoffe mit Vorteilen gesegnet. So gilt das Verfahren als umweltfreundlich und gesundheitlich unbedenklich. Zudem liefert es langlebige Oberflächen in beliebigen Farbtönen.

Einen Lacklauf habe es noch nie gegeben. Schreinermeister Christian Hinder lacht bei der Frage nach dem wohlvertrauten Ärgernis in der Lackierkabine. Beim Pulver-beschichten gibt es systembedingt keine Läufe und auch sonst ist manches gänzlich anders, als man es vom Beschichten mit flüssigem Lack gewohnt ist. Noch so ein Kuriosum: «Die Kabine bleibt immer schön sauber», sagt Hinder, Leiter Pulverbeschichtung bei der Fust AG im sanktgallischen Wil. Das Einzige, was über die Zeit in Mitleidenschaft gezogen werde, seien die Aufhängehaken. Daran hängen die Werkstücke auf ihrem Rundlauf durch die Abteilung der Pulverbeschichtung in der Schreinerei.

Was Pulver annehmen kann

Um ein Material mit Pulver beschichten zu können, muss Ersteres eine gewisse elektrische Leitfähigkeit aufweisen. Dies ist neben Metallen auch bei Kunststoffen, Verbundmaterialien sowie bei Holzwerkstoffen möglich. «Man kann auch die Oberfläche einer Spanplatte pulverbeschichten, das gilt aber nur für die Fläche und nicht für die Kante wie bei vielen anderen Holzwerkstoffen auch», weiss Hinder. Das Beschichten mit Pulver beschränkt sich deshalb in aller Regel auf MDF-Platten. Und dabei handelt es sich um modifiziertes MDF mit feineren Fasern, höherer Dichte und einer besseren Leitfähigkeit, die durch einen Zusatz erreicht wird. Bei der Oberflächenbehandlung von MDF kommt der Bearbeitung der Schmalkanten eine besondere Bedeutung zu. Das ist auch bei der Pulverbeschichtung nicht anders, ganz im Gegenteil. «Das Pulver verzeiht nichts», sagt Hinder und meint damit die Sichtbarkeit von Schleifspuren und Unregelmässigkeiten bei der Kantenbearbeitung. Auch deshalb ist der spezielle Plattentyp mit dem gleichmässigeren Rohdichteprofil wichtig. «Die Kanten müssen sehr sauber geschliffen werden, da nicht gefüllert wird, sondern die Kontur des Trägermaterials übernommen wird. Dazu gehören leider auch die Kratzer», erklärt Andy Schwery, Geschäftsleiter der Ramseier Woodcoat AG in Thun BE.

Unterschiedliche Aufbauten 

Mit den unterschiedlichen Pulvern lassen sich auch unterschiedliche Aufbauten realisieren. In der Regel läuft ein Werkstück zwei Mal durch die Anlage. Beim ersten Auftrag könne es zu geringfügigen Ausgasungen an der Kante des MDF kommen. Das führe dann zu kleinen Blasen und einer sich nicht ganz glatt anfühlenden Oberfläche, sagt Hinder. Nach dieser Grundierung erfolgt deshalb ein Zwischenschliff. Dabei genügt ein Scotch-Vlies. 

Die Pulverbeschichtung ist eine dünne Beschichtung. «Mit der elektrischen Ladung wird im Grunde die Schichtstärke definiert. Die liegt mindestens bei 120 µm, sprich 1,2 Zehntel Millimeter», sagt Hinder. Bei Fust wechselt man die Farbe zwischen den Durchgängen nicht. Die Schichten werden in gleichem Farbton ausgeführt, während sonst oft mit einem weissem Pulver grundiert wird. So auch bei Woodcoat. «Wir arbeiten immer mit Grundierung zur Versiegelung und dem Decklack in der gewünschten Farbe», sagt Schwery. 

Die Pulverbeschichtungen in der Holzbranche sind noch nicht so lange möglich. Akteure wie Woodcoat oder Fust haben ihr Know-how zu einem Teil selbst erarbeiten müssen. Es verwundert also nicht, dass die Erfahrungskataloge viele Gemeinsamkeiten, aber auch eigene Lösungen und Verfahren kennen.

Das Pulver wird nicht verschossen

Starke Argumente für die Pulverbeschichtung finden sich bei den ökologischen und gesundheitlichen Aspekten. Da das Pulver kein Lösemittel braucht und die Beschichtung in der Kabine erfolgt, gibt es keine gesundheitliche Belastung der Mitarbeitenden. Pulver, das seinen Weg auf das Werkstück nicht findet, wird fast vollständig gesammelt und kann ohne weitere Verfahren wieder eingesetzt werden. Gesammelt wird das Pulver über einen Zyklon. Dabei werden Staub und Verunreinigungen abgeschieden und das Pulver wieder dem Produktionsablauf zugeführt.

So manches Argument hat Gewicht 

Wichtiger Pluspunkt der Pulverbeschichtung ist auch die Qualität. «Die gepulverte Oberfläche entspricht einfach unserem Verständnis von einer Top-Schreinerarbeit», sagt Markus Fust, Inhaber und Geschäftsführer der gleichnamigen Schreinerei. Für ihn stehe der Preis dabei nicht im Vordergrund. Entgegen viel getätigten Verlautbarungen sei das Pulvern oft nicht günstiger als der flüssige Lack. Es komme vielmehr darauf an, was beschichtet werden soll. Eckige, einfache Bauteile ohne Details lies­sen sich durchaus mit herkömmlichem Lack wirtschaftlicher beschichten. «Spannend wird es, wenn man ins Material hineinarbeitet, feine Details wie Profilierungen hat. Dann ist das Pulvern wirtschaftlicher», erklärt Serge Eggler, Mitglied der Geschäftsleitung bei der Fust AG.

Die Pulverbeschichtung erreicht die Anforderungen an Möbeloberflächen spielend. Insbesondere die hohe Kratzfestigkeit, die Anti-Fingerprint-Eigenschaften sowie die samtige Haptik werden oft genannt. Wichtig für Schreinerpartner ist auch die kurze Verarbeitungszeit. Die Teile können nach dem Abkühlen sofort weiterverarbeitet, verpackt und transportiert werden. Während Flüssigkeiten aushärten müssen, bleibt das Pulver im Prozess trocken und muss
lediglich erkalten. 

Was schwierig ist

Je nach Materialstärke und Farbton braucht es die passende Temperaturkurve im Ofen. Immerhin rund 130 °C herrschen an der Oberfläche beim Einbrennen des Pulvers. Leimfugen sind deshalb schwierig. Werden Teile verleimt, müssen entsprechend hitze-unempfindliche Klebstoffe eingesetzt werden. Eine Dickenverleimung mit sichtbaren Fugen geht dagegen gar nicht. «Die Leimfuge wird sich abzeichnen», weiss Christian Hinder. 

Die Pulvertechnologie habe viele Vorteile, aber auch einige Eigenheiten, sagt Andy Schwery. «Die Bauteile dürfen nicht zu dünn sein, sonst trocknen diese im Prozess zu stark aus», sagt Schwery. Die Reststärke solle etwa sieben Millimeter nicht unterschreiten. Fünf bis sechs Prozent Holzfeuchte brauchen die Platten, damit sie leitfähig sind. «Ist sie zu trocken, leitet die Platte nicht und damit kann die Gegenladung für eine Anziehung der Partikel nicht funktionieren. Ist die Platte zu feucht, kocht quasi das Wasser im Ofen und sprengt am Ende die Beschichtung auf», erklärt Hinder. Deshalb werden die Platten vor der Beschichtung klimatisiert gelagert. 

christian härtel

 

www.fpp.swisswww.woodcoat.ch

Mit Pulver beschichten

So funktioniert der «Lack» aus Pulver

Bei der Pulverbeschichtung werden trockene Partikel mittels Düsen zerstäubt und so auf das Werkstück aufgetragen. Zuvor wird das Pulver elektrostatisch geladen, wodurch dieses auf dem leitfähigen Material durch die Bindungskräfte andockt.Neben Stahl und Aluminium können damit auch leitfähige Holzwerkstoffe wie modifizierte MDF-Platten mit der Pulverbeschichtung ummantelt werden. Meist im Durchlaufverfahren beschichtet, durchlaufen die Werkstücke nach der Applikation einen Ofen. Durch Hitze ab etwa 130 °C vernetzt das Pulver und geht eine feste Verbindung ein. Es kommen Temperaturen von über 350 °C zum Einsatz.Die Pulver bestehen meist aus Epoxid- oder Polyesterharzen. Darüber hinaus kommen auch Pulver auf Basis von Polyamid, Polyurethan, PVC und Acryl zum Einsatz. ch

Veröffentlichung: 22. September 2022 / Ausgabe 38/2022

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