Bereit für den nächsten Schritt

Die Digitalisierung schreitet voran und eröffnet Schreinereienneue Chancen. Bild: Shutterstock

WBZ Lenzburg.  Wie führt ein Schreinerbetrieb die Datendurchgängigkeit am besten ein, und was gehört alles dazu? Ein Geschäftsführer und ein Projektleiter erzählen, wie es bei ihnen gelaufen ist. Der neue Lehrgang «Betriebsabläufe digitalisieren» am Weiterbildungszentrum Lenzburg bereitet die Teilnehmenden darauf vor.

Was bedeuten Digitalisierung und Datendurchgängigkeit genau? Wie soll man vorgehen, wenn man seinen Schreinerbetrieb modernisieren will, von 2D- auf 3D-Zeichnen umstellen oder ein neues CNC-Bearbeitungszentrum anbinden möchte? Bisher mussten interessierte Unternehmerinnen, Unternehmer und Verantwortliche sich selbst informieren, Messen besuchen und die verschiedenen Anbieter abklappern und für sich die beste Lösung suchen.

Das Weiterbildungszentrum Lenzburg schafft in Zusammenarbeit mit dem Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten (VSSM) Abhilfe. Ende September startet erstmals der Lehrgang «Betriebsabläufe digitalisieren». Dabei werden ein Grundverständnis für die Herangehensweise an digitale Projekte und Methoden für eine strategische Vorgehensweise vermittelt. Die Teilnehmenden lernen, Strategien zu entwickeln, um zukünftige Projekte dieser Art richtig anzugehen.

Klare Strategie zur Digitalisierung

«Das tönt interessant. Hätte es dieses Angebot schon früher gegeben, hätte ich meinen Mitarbeiter, der bei uns für die Einführung der Datendurchgängigkeit verantwortlich war, hingeschickt», sagt Samuel Blaser, Inhaber und Geschäftsführer der Schreine- rei Spicher AG in Brugg AG (Bild). Als er vor fünf Jahren den Betrieb übernommen hatte, verfolgte er die Strategie, Abläufe zu bündeln, zu digitalisieren und zu vereinfachen. «Einerseits stelle ich eine vermehrte Verlagerung von Mitarbeitenden von der Produktion ins Büro fest. Andererseits spüren wir in der Werkstatt den Fachkräftemangel. Ich wollte deswegen die Produktivität steigern. Das heisst unter anderem, das CNC-Bearbeitungszentrum direkt ans 3D-CAD anzubinden und die Werkstücke mittels QR-Code zu identifizieren», erzählt Blaser. Somit könnten in der Produktion bei einer gewissen Automatisation auch weniger kompetente Mitarbeitende eingesetzt werden. Sein Unternehmen beschäftigt rund 30 Angestellte und ist hauptsächlich im Küchen-, Möbel- und Innenausbau tätig.

Da eine neue CNC angeschafft werden sollte (eine Biesse Brema Eko 2.2 mit zwei Bohrköpfen und einem Fräsaggregat), wollte Blaser bereits ein Jahr vorher den Aufbau der Datendurchgängigkeit in Angriff nehmen. «Ich habe das Glück, dass wir intern bezüglich IT und Digitalisierung versiert sind. Das ERP haben wir in Zusammenarbeit mit einem Partner selbst aufgebaut.» Seit 15 Jahren arbeitet die Schreinerei Spicher AG mit Vectorworks 3D. «Wir wollten bei diesem Anbieter bleiben und auch die Durchgängigkeit umsetzen», erzählt der Geschäftsführer. Als nächsten Schritt galt es, mit der CNC die Datendurchgängigkeit einzuführen. «Weil in der Schweiz nur wenige mit Vectorworks durchgängig arbeiten, mussten wir das selbst in die Hand nehmen.»

Extra einen Mitarbeiter angestellt

Deswegen hat er für das Projekt einen neuen Mitarbeiter gesucht und angestellt. Dieser war für die Beschaffung der neuen Maschine, die Evaluation sowie den Aufbau der Möbelbibliothek im CAD verantwortlich. Auch die Zuschnittsoptimierung gehörte dazu. «Geplant war ein Zeithorizont von zwei Jahren. Geworden sind es aber drei, bis alles umgesetzt war und alle Mitarbeitenden eingebunden waren.» Die Umstellung sei sehr aufwendig gewesen. Vor allem die Einführung des neuen Systems habe bei den vier Projektleitern viel Zeit in Anspruch genommen. Auch weil man diese nicht überfordern wollte. «Das hatte ich unterschätzt», sagt Blaser. In der Produktion musste nach der Einführung ein Performanceverlust hingenommen werden. Nun sei jedoch alles auf gutem Weg. «Bei den Zeiten und der Geschwindigkeit sind wir nach einem halben Jahr wieder auf dem gleichen Niveau wie vor dem Projekt und erwarten eine weitere Produktivitätssteigerung.» Der Unternehmer würde im Nachhinein trotz des grossen Aufwands wieder alles gleich machen und ist zufrieden. Investiert hat er rund 300 000 Franken, inklusive der Maschine. Betrieben, die die Datendurchgängigkeit angehen möchten, rät Blaser, dies zusammen mit einem Partner zu tun oder dann den neuen Lehrgang für ein Grundwissen zu besuchen. «Man muss wichtige Entscheidungen treffen, da man sich an ein System bindet und viel investiert.»

Zeit für die Datendurchgängigkeit

Bei der Zurbuchen AG in Amlikon-Bissegg TG hatte man sich vor drei Jahren erste Gedanken zur Datendurchgängigkeit gemacht, Programme angeschaut und Nutzwertanalysen erstellt. Wegen der Coronapandemie wurde das Projekt aber gestoppt. «Anfang 2022 bin ich von der Produktion ins Büro gewechselt und habe das Thema wieder ins Rollen gebracht. Ich fand, dass es Zeit für den nächsten Schritt ist», sagt Simon Zurbuchen, Avor und Projektleiter (Bild). Er habe Schreinerbetriebe gesucht, die schon so arbeiten, und wollte bei diesen reinschauen. «Man muss nicht alles neu erfinden, sondern kann von anderen lernen.»

Schliesslich hatten sie sich auf drei Anbieter beschränkt und diese Programme eingehend geprüft. «Wir benötigen ein Programm, das mehr kann als Küchenbau und es zum Beispiel auch möglich ist, ein rundes Empfangsmöbel zu zeichnen.» Die Zurbuchen AG ist keine klassische Schreinerei. Der Betrieb führt mittlerweile mit 35 Mitarbeitenden immer mehr Fremdaufträge aus. Dazu zählen unter anderem das Belegen mit einer Durchlaufpresse, das ABS-Kantenleimen entlang von Radien direkt auf der CNC und die Oberflächenbehandlung mit einem modernen Lackierroboter. «Wir haben die Möglichkeit, Einzelteile bis hin zu grossen Serien zu bearbeiten.»

An der Messe Holz im letzten Oktober inspizierte Zurbuchen nochmals die Anbieter und wusste nun genau, was er sucht. Bei CAD+T wurde er schliesslich fündig. Die Bibliotheken, Standardeinstellungen und der Support werden von rwdm Datenmanagement bezogen. «Ich habe viel Zeit in die Programmierung von Beschlägen investiert, die niemand hat, zum Beispiel für spezielle Schubladenauszüge oder Tischuntergestelle.» Wenn man mit Interesse, Willen und auch Spass an die Sache herangeht, komme es gut. «Ich musste ein Gefühl für die Programmierung entwickeln und über den Tellerrand hinausschauen.»

«2D ist einfach nicht mehr modern»

Die Anbindung an das bestehende CNC-Bearbeitungszentrum (IMA Schelling) hat gut funktioniert. Bald soll ein zweites hinzukommen. «Die Verknüpfung zwischen den Programmen ist anspruchsvoll. Für das Zusammenspiel des ERP von Borm und dem neuen CAD waren viele Anpassungen nötig», berichtet Zurbuchen. «Wir sind seit Februar gut unterwegs und haben bereits komplexe Aufträge komplett durchgängig hergestellt. Bohrungen und einfache Fräsungen haben nach der Installation sehr schnell funktioniert. Die weiteren Schritte sind aber aufwendiger umzusetzen und benötigen deswegen einiges an Programmierarbeit», sagt er. Investiert hat das Unternehmen einen sechsstelligen Betrag für interne und externe Kosten. «Ich bin überzeugt, dass wir den richtigen Schritt gemacht haben», betont er. «2D ist einfach nicht mehr modern, und wir wollten den Zug nicht verpassen.» Schliesslich wolle man attraktive Arbeitsplätze schaffen. Mit der direkten Anbindung könne man zudem Fehlerquellen minimieren und im besten Fall Zeit sparen.

Ein Kurs zur Vorbereitung würde helfen

Schreinereien, die vor dem Schritt in die Datendurchgängigkeit stehen, rät Zurbuchen: «Man sollte andere Betriebe anfragen und wenn möglich bei diesen reinschauen. So findet man schnell heraus, was man sucht und was funktionieren könnte.» Die Digitalisierung sei die Zukunft und biete viel Potenzial. «Sie ist aber nicht alles, und man soll sich nicht reindrängen lassen.» Ein Kurs zur Vorbereitung wäre nicht schlecht gewesen, meint er. «Es hätte mir geholfen, wenn ich die verschiedenen Anbieter und Programme schon gekannt hätte.» Er empfiehlt, sich an einer Messe zu informieren, weil man dort im Thema sei. Den Anbietern solle man unbedingt konkrete Fragen und Aufgaben stellen.

Zum Lehrgang

Betriebsabläufe digitalisieren VSSM

Der Lehrgang richtet sich an Kaderleute und IT-interessierte Mitarbeitende aus der Holzbranche, die in ihrem Arbeitsumfeld digitalisierte Betriebsabläufe einführen oder optimieren möchten. Die Weiterbildung vermittelt ein Grundverständnis für die Herangehensweise an digitale Projekte und Methoden für eine strategische Vorgehensweise. Der Lehrgang dauert ein Semester. Der Unterricht findet jeweils freitags und an vier Samstagvormittagen statt. Der Lehrgang startet am 29. September 2023, dauert bis April 2024 und findet im Weiterbildungszentrum Lenzburg statt. Die Kosten belaufen sich auf 4860 Franken, VSSM-Mitglieder zahlen 4000 Franken. Der Lehrgang ist Maek- und ZPK-unterstützt. Der nächste Informationsabend findet am Dienstag, 5. September, um 18 Uhr statt, mit anschliessendem Imbiss.

www.vssm.ch/bdi

www.wbzlenzburg.ch

Veröffentlichung: 17. August 2023 / Ausgabe 33/2023

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