Kunst in der Werkstatt


Upcycling-Möbel-Ausstellung und Musik im Grünen: In der Sagi auf dem Belpberg findet Kultur in Vielfalt statt. Bilder: Andrina Schneller
Upcycling-Möbel-Ausstellung und Musik im Grünen: In der Sagi auf dem Belpberg findet Kultur in Vielfalt statt. Bilder: Andrina Schneller
Kulturförderung. Drei Holzbetriebe nutzen ihre Räume, um Kunst, Lesungen und Konzerten einen Platz zu geben. Monetär rechnet sich das Engagement nicht. Doch haben sich alle eine Reputation erworben, die über ihr handwerkliches Schaffen hinausgeht.
Ein Schreinerkollektiv an der Langstrasse, der Ein-Mann-Betrieb auf dem Belpberg und ein breit aufgestelltes Holzbauunternehmen im Luzerner Hinterland. So unterschiedlich die Betriebe und Menschen sind, die seit Jahren regelmässig Kunst- und Kulturveranstaltungen organisieren, so viel- fältig sind ihre Anlässe. Was alle verbindet, ist der Wunsch, immer wieder Neues zu entdecken. Der finanzielle Ertrag aus den Veranstaltungen deckt in der Regel knapp die Ausgaben, und der Aufwand sei manchmal «jenseits», wie es der Schreiner Beat Lüthi beschreibt. Trotzdem, abbringen lässt sich keiner und deshalb werden weiterhin hochkarätige Kulturprogramme dort geboten, wo man sie eigentlich nicht erwartet.
Die Strasse schlängelt sich steil und kurvenreich von Belp auf die Ebene des Belpbergs. Ist man oben auf dem Höhenrücken angekommen, glaubt man sich in einer anderen Welt. In der Weite die Alpenkette, um einen herum hohe Wiesen, Wald und stattliche Bauernhäuser.
Inmitten dieses grünen Paradieses steht die Sagi. Alle zwei Jahre finden hier im September drei Tage lang Kunstausstellungen und Konzerte statt. Der Schreiner Beat Lüthi und seine Frau Jeannette Jakob, sie betreibt ein eigenes Druckatelier, wohnen und arbeiten in der ehemaligen Sägerei und organisieren seit 2002 regelmässig den Sagi-Event.
Zwölf bildende Künstler, drei Bands, ein Schriftsteller und ein Zauberer sind am ersten Septemberwochenende nach Belpberg gekommen. Und trotz dem starken Regen an den ersten Tagen auch viele Besucher. Zwischen 1600 und 2000 schätzt Lüthi die Besucherzahl – nochmals einige mehr als in den letzten Jahren. Am Sonntagnachmittag reiht sich die Kolonne der parkierten Autos fast 200 Meter der Kuhwiese entlang. Auf das Wohlwollen der nächsten Bauern sind die Veranstalter jeweils angewiesen. 2015 haben sich Freunde und Gleichgesinnte zum Verein zusammengeschlossen und unterstützen das Ehepaar bei der Durchführung des Events. Im Bistro des Sagi-Events wiederum werden Käse und Wurst der lokalen Produzenten verkauft. Und sogar das ausgeschenkte Bier wird in Belpberg gebraut.
In der alten Sägerei, dort, wo früher die Baumstämme aufgetrennt wurden, steht noch immer die alte Blockbandsäge, und rostige Schienen führen über den Boden. Keramikfiguren, handgeschmiedete Messer, verspielte Schreine und bedruckte Seidentücher werden von den Kunsthandwerkern in dem hohen Raum präsentiert. Einen Stock tiefer sind die bunten Leuchtkästen von Judith Zaugg mit rosa Elefanten und fliegenden gelben Füchsen die einzige Lichtquelle im düsteren Kellergewölbe.
Beat Lüthis «Upcycling-Möbel» sind in seiner Schreinerwerkstatt zwischen der Striebig und der Kreissäge ausgestellt. Alte Schubladen sind zum Turm oder zu einer Kommode gestapelt. Von Schrottplätzen und Mülldeponien trug Lüthi zahlreiche alte Möbelstücke zusammen, die er in seiner Werkstatt auffrischt und zu neuen Möbeln kombiniert.
Mehrere davon hat Lüthi in den letzten Tagen verkauft. Anders als an grossen Ausstellungen, wie zum Beispiel der «Blickfang», läuft der Verkauf am eigenen Anlass sehr gut. Auch Jeannette Jakob, die ihre Druckgrafiken im Untergeschoss ausgestellt hat, kann sich über ein grosses Interesse freuen. Trotz den Einnahmen, die durch den Verkauf der eigenen Werke, die Kollekte und einen kleinen Beitrag von den anderen Ausstellenden zusammenkommen – der wirtschaftliche Gewinn bleibt gering. «Der Aufwand für den Aufbau und die ganzen Vorbereitungen sind jenseits!», sagt Beat Lüthi. Ein gutes Kulturprogramm aufs Land zu bringen, wo sonst wenig los ist, spornt die beiden an, wenn sie bereits Wochen vor dem Anlass den Keller räumen, die Werkstatt putzen und im Garten die unzähligen Tische und Stühle aufstellen.
Mitten im Garten vor dem alten Hühnerhäuschen – im Inneren hängen die grossformatigen Fotografien von Chantal Michel – geben Balthasar Streiff und Thomas Aeschbacher ein Nachmittagskonzert. Streiff spielt auf einem Zink, einem historischen Blasinstrument aus Holz, und Aeschbacher mit dem Schwyzerörgeli. Das klingt irgendwo zwischen Alpenmusik und Avantgarde.
Die zahlreich erschienenen Besucher wissen das Engagement von Lüthi und Jakob zu schätzen: interessante Künstler, Konzerte, die Freude machen, und einen wunderschönen Garten mit Lauben und wild zusammengewürfelten Gartenmöbeln, wo man gerne sitzt, lauscht und das lokale Bier geniesst. Viele sind weder zum ersten noch zum letzten Mal hier auf dem Belpberg.
Künstler aus der ganzen Schweiz, aus Deutschland, machmal auch aus den USA und England treten regelmässig in Altbüron auf und spielen Modern Jazz: improvisierte und experimentelle Musik. Die widerspenstigen Klänge sind selten auf Anhieb behaglich, sondern oft anspruchsvoll und schräg fürs ungeübte Ohr. Hildegard und Walter Schär, Inhaber von Schaerholzbau, zeigen auf der Bühne vom Bau 4, was sie schätzen, und nicht unbedingt, was dem breiten Publikum gefällt. Spitze Bemerkungen zur «elitären» Musik bekommen sie denn auch mal von der eigenen Belegschaft zu hören. Trotzdem, das Engagement wird respektiert, denn die tägliche Arbeit läuft, der Auftragseingang stimmt.
Vor 25 Jahren haben Hildegard und Walter Schär die elterliche Zimmerei im Luzerner Hinterland übernommen. Früh seien sie deshalb angebunden gewesen. Durch die Kunst wollten sie die Welt zu sich nach Hause holen. Regelmässig veranstaltete das Ehepaar Hauskonzerte in der eigenen Stube oder zeigte 35-Millimeter-Filme, damals noch in der Werkstatt der Schreinerei. Mittlerweile ist der Holzbaubetrieb mit den drei Angestellten zum Gesamtdienstleister mit über 80 Mitarbeitenden gewachsen, mit Standorten in Grossdietwil, Horw und Altbüron. In Altbüron wurde angrenzend ans Stammwerk 2005 der Bau 4 fertiggestellt. Dort begann Hildegard Schär, die sich in Kulturmanagement und später in der Kulturvermittlung weitergebildet hatte, die Veranstaltungen professionell zu betreiben.
Über 130 Konzerte und 12 Kunstausstellungen haben seither in dem Kulturraum stattgefunden. Wobei Schär lieber von einem Freiraum spricht: Der trapezförmige Bau bietet auch Platz für die monatlichen Infoveranstaltungen für die Mitarbeitenden oder für Firmenanlässe. Zuweilen nutzen Künstler die Räume, um Aufnahmen zu machen – der Klang sei gerade wegen des holzigen Innenausbaus gut – oder sie quartieren sich für einige Tage ein und entwickeln abseits vom Trubel neue Musikprojekte. Über die Jahre ist so in Altbüron eine Plattform für improvisierten Jazz entstanden. Praktisch jeder Schweizer Freejazzer sei bereits auf der Bühne vom Bau 4 gestanden, erzählt Hildegard Schär, und täglich treffen neue Anfragen bei der Programmleiterin ein. Es gibt viele hochkarätige Musiker, aber nur wenige Bühnen, auf denen die experimentelle Musik gespielt wird.
«Improvisieren kann nur, wer sein Handwerk beherrscht», sagt Schär. Und das gelte für den Zimmermann und den Ingenieur genauso wie für die Musiker. Das Können und die Leidenschaft, etwas Authentisches zu machen, verbinden die beiden eigentlich gegensätzlichen Formen: Holzbau und modernen Jazz. Wo die Musik flüchtig und vergänglich ist – was an einem Konzert gespielt wird, ist einmalig, wird weder wiederholt noch aufgenommen –, bleiben die Holzbauten Jahrzehnte lang bestehen.
Hildegard Schär ist überzeugt, dass sich ein offener Geist auch in der täglichen Umsetzung von Bauprojekten zeigt. «Wir haben weniger Berührungsängste und lassen uns auch auf Experimente ein», sagt die Verwaltungsrätin.
Der Architekt Rémy Baenziger kann dem zustimmen: Für den Umbau einer alten Scheune im Dorfkern von Schlieren habe er einen Holzbauer gesucht, der seine unkonventionelle Konstruktion verstehe und sie nicht in eine Standardlösung habe übersetzen wollen. Mit Schaerholzbau konnte Baenziger das Projekt nach seinen Vorstellungen umsetzen, und kürzlich wurde es mit dem «Best Architects Award 2018» ausgezeichnet.
Schaerholzbau finanziert den Bau 4 vollumfänglich. Die Anlässe an sich seien defizitär. Mit jeweils 30 bis 40 Zuschauern sind die Konzerte zwar gut besucht, der Erlös aus den Eintrittskarten deckt aber kaum die Gagen der Musiker. Monetär lässt sich der Mehrwert vom Bau 4 deshalb nicht beziffern. Doch mit dem Engagement für Kunst und Kultur hat Schaerholzbau ein klares und unverkennbares Profil entwickelt. «Durch die Kunst können wir uns unterscheiden», so Hildegard Schär. Denn gutes Handwerk allein reicht weder für den Musiker noch für den Holzbauer, um sich im Wettbewerb durchzusetzen.
Bars, Erotikkinos, Dönerbuden, Clubs – die Zürcher Langstrasse ist Ausgehmeile für Städter und Wochenendbesucher aus den umliegenden Gemeinden. Partymeile zu Nacht, ist das Quartier am Tag noch immer wie ein Dorf inmitten der Stadt. Das Schreinerkollektiv Langstrasse 115 ist seit 1998 etwas versteckt im Innenhof zu Hause. Wo heute Werkbänke stehen, geschliffen und geleimt wird, sitzt Mitte November das Publikum, und die Tischfräse wird dann zur Bar. Seit 2002 lädt das Schreinerkollektiv im November während dreier Tage zu Lesungen und Konzerten ein. Am Samstag schliesst der Anlass jeweils mit einem grossen Fest mit Speis, Trank und Tanz.
Die Zusammenarbeit mit der Schauspielschule und der offenen Kirche Aussersihl gab vor 15 Jahren den Anstoss, die Schreinerei für ein paar Tage im Jahr zum Kulturraum zu verwandeln. Das hat allen Beteiligten Spass gemacht, und so wurde es bald zur Tradition. Berni Haug, Mitglied des Schreinerkollektivs, ist seit Anfang der Initiator und stellt das Programm zusammen. Anpacken beim Räumen und Putzen tut aber das ganze Team.
Für eine Schreinerei an dieser Lage gehören viele nicht unbedingt populäre Serviceleistungen dazu. Eingedrückte Türen reparieren, Küchenschränke und alte Stühle flicken. Man kennt sich hier, teilweise schon seit Jahrzehnten. «Mit einigen Nachbarn sind wir über die Jahre alt geworden», sagt Haug, der selber bald das Rentenalter erreicht. Seit seiner Lehrzeit wohnt und arbeitet Haug im Quartier. Wäre die Werkstatt im Industriequartier der Agglomeration, würden sie wohl kaum einen vergleichbaren Anlass auf die Beine stellen können. Hier, mitten im Quartier, trägt die Schreinerei hingegen zum noch verbliebenen Dorfleben bei.
Das definitive Programm für diesen November steht noch nicht fest, und allzu viel will Haug auch nicht verraten. Aber dass Urs Faes aus seinem neusten Buch lesen wird und auch Julia Weber zugesagt hat, das steht schon mal fest. Beide Autoren wohnen in Zürich. Häufig kommen die Künstler aus der Umgebung. Bedingung sei das jedoch nicht; der Inhalt müsse überzeugen. «Den Blick erweitern und neu auf vermeintlich Bekanntes schauen», das interessiert Haug.
Er selber liest viel und gerne. So stösst er auch immer wieder auf neue Autoren. Teils sind das junge Debütanten, teils schweizweit bekannte Schriftsteller. Enzo Scanzi, Sunil Mann sowie Constantin Seibt sind die bekannteren Namen aus der Literaturszene, welche an der Langstrasse bereits auf der Bühne standen.
Das Publikum schätzt Berni Haugs Programm. Obwohl der Schreiner öffentlich kaum Werbung macht, sind die gut 100 Plätze jeweils rasch besetzt. Grösser soll die Veranstaltung auch nicht werden, «dann würde das Familiäre, das den besonderen Charakter ausmacht, verloren gehen», sagt Haug. Eingeladen werden die Gäste meist persönlich – Nachbarn, Kunden und Bekannte. Wobei, die meisten Kunden sind hier auch Freunde, oder werden es spätestens nach dem ersten Auftrag.
Vom 22. bis 24. November findet der nächste Anlass an der Langstrasse 115 in Zürich statt. Am 25. November endet die Kulturveranstaltung mit einem Fest.
Veröffentlichung: 14. September 2017 / Ausgabe 37/2017
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